Auch an Team S Cephei ging Corona nicht spurlos vorbei. So wurde uns im Frühjahr 2020 mitgeteilt, dass die REXUS Kampagne leider um ein Jahr verschoben werden muss. Eine ernüchternde Nachricht, da das Experiment bereits auf einem guten Weg war, einsatzbereit zu sein. Doch aufgrund des fortgeschrittenen Entwicklungsstandes des Experiments bot uns das ZARM aus Bremen die Möglichkeit an, das Experiment vor dem eigentlichen Raketenflug in ihrem Fallturm zu testen und so bereits erste wissenschaftliche Daten zu sammeln.
Das Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) ist einer der Organisatoren des REXUS/BEXUS Programms. Das Institut verfügt über einen 146 m hohen Fallturm, in dem Experiment bis zu 9,8 s Mikrogravitation ausgesetzt werden können. Diese kurze Zeit eignet sich auch für unser Experiment, da der Ausrichtvorgang von CNTs (Carbon Nanotubes) bei bestimmten Leistungsparametern nicht viel länger als ein paar Sekunden dauert. Zwar müssen wir uns aufgrund der kurzen Mikrogravitation und begrenzter elektrischer Leistung auf die Hälfte der Kammern begrenzen, doch durch die hohe Wiederholbarkeit von bis zu zwei Flügen pro Tag war die Fallturmkampagne eine willkommene Möglichkeit, das Experiment perfekt auf den Flug in der Höhenforschungsrakete in Kiruna vorzubereiten.
Die Kampagne lief vom 10. bis 22. Mai 2021. Das Experiment wurde bereits in der Woche vor der Kampagne nach Bremen geschickt. Die Teammitglieder Robin, David, Jonathan und Joshua folgten dem Experiment dann am 9. Mai nach Bremen. Untergebracht waren wir in Apartments des 7THINGS-Hotels, welches sich zentral auf dem Uni Campus befindet und nur 5 Minuten vom ZARM entfernt ist.
Die erste Woche war für das Testen und die Integration des Experiments eingeplant.
Das PoC (Pillars of Creation) System, der von STAR entwickelte Elektronik-Standard, wurde bereits vor der Kampagne auf Funktionalität getestet, aber noch nie tatsächlich verwendet. Hierbei galt es die Geduld zu bewahren, da sich die Inbetriebnahme aufgrund bisweilen unbekannter Probleme verzögerte. Durch das modulare Prinzip von PoC erforderte die Fehlersuche ein gewisses Maß an Präzision, zugleich konnten gefundene Fehler aber in kürzester Zeit durch Ersetzen des beschädigten Moduls behoben werden. Als die Hard- und Software schließlich einsatzbereit waren, stand dem Einbau des PoC Stapels nichts mehr im Weg. Gesteuert wurde das Experiment über die Bodenstation des ZARM, welche direkt mit der Kapsel im Fallturminneren in Kontakt stand.
Neben der Arbeit am Projekt blieb natürlich auch Zeit, die Stadt Bremen zu besichtigen. Die Bremer Altstadt hat neben imposanter Architektur auch einige naturbelassene Rückzugsorte zu bieten, wie zum Beispiel die Wiesen und Grünanlagen entlang der Weser. Auch der Campus der Universität Bremen bot, durch die Möglichkeit eines Besuchs am nahegelegen Campussee, die Möglichkeit zur Entspannung.
Die zweite Woche in Bremen war die Flugwoche. Los ging es am Montag mit der Kalibrierung unserer Fallturm-Kapsel, in der das S Cephei Experiment eingebaut war. Dabei wurde mit einer speziellen Messeinrichtung der Schwerpunkt der Kapsel festgestellt und durch durch das Anbringen von Massestücken an die gewünschte Position gebracht. Wenn der Schwerpunkt der Kapsel nicht exakt in der Mitte der Kapsel liegt, würde es während des Fallens zu Rotation kommen, was fatale Folgen haben könnte.
Für ein Fallturm-Flug wurde unser Experiment zuerst in die Fallturm-Kapsel, in der auch ein zusätzlicher Bordcomputer für Strom und Kommunikation vorhanden war, eingebaut. Diese Kapsel wurde durch eine Außenhülle luftdicht verschlossen und danach in das Innere des Fallturms gebracht. Im Inneren des Turm ist eine sehr große Vakuumkammer, welche aus einem Raum im Erdgeschoss und der eigentlichen Fallröhre besteht. Der untere Raum beinhaltet die Abschuss- und die Auffangeinrichtung. Unsere Kapsel wurde unten im Fallturm auf das Katapult gehoben und anschließend die Vakuumkammer evakuiert. Da dieser Vorgang ca. 90 Minuten dauert, blieb genug Zeit, um vom Kontrollzentrum aus die Kommunikation zu unserem Experiment herzustellen. Sobald die Kammer luftleer gepumpt war, konnte das hydraulisch betriebene Katapult vorgespannt werden. Danach lag es an uns, den Abschuss über die Bodenstation zu starten. Das Katapult beschleunigt die Kapsel dabei mit bis zu 35g, während der Bordcomputer der Kapsel die Signale der REXUS-Rakete simuliert und unser Experiment somit gesteuert werden kann. Nach ca. 9 bis 10 Sekunden ist die Kapsel wieder sanft im Auffangbehälter gelandet. Dieser mit dämpfenden Styroporkügelchen gefüllte Behälter kann nach dem Katapultschuss über die Abschussvorrichtung schwenken und die Kapsel so wieder auffangen. Sobald der Kammerdruck wieder ausgeglichen war, wurde die Kapsel mit einem Kran aus dem Auffangbehälter gehoben und wir konnten sofort alle Daten auswerten. Jedoch war es aufgrund einer Live Videoübertragung von einer Kamera schon möglich, während des Fluges den Ausrichtvorgang der CNTs zu beobachten.
Bereits in Dresden haben wir ausgiebig verschiedene Parameterkombinationen in unserem Experimentaufbau als Referenz getestet und konnten so einen genauen Plan mit den durchzuführenden Experimenten im ZARM aufstellen. Der erste Start sollte eigentlich am Montag Nachmittag stattfinden. Aufgrund von Schwierigkeiten mit dem Bordcomputer der Kapsel mussten wir den ersten Flug schließlich auf Dienstag verschieben. Bei diesem besonders spannenden ersten Flug hat unser Experiment reibungslos funktioniert. Beim zweiten Flug des Tages kam es jedoch zu unerwarteten Komplikationen. Bereits während des Evakuierungs-Vorgangs stellte sich heraus, dass die Kommunikation via WLAN stark verlustbehaftet war. Auch ein Neustart der Kommunikationsanlagen konnte dieses Problem nicht beheben. Es kam aber sogar noch schlimmer, als bei unserem routinemäßigen Testdurchlauf ein fehlerbehafteter Befehl das Programm beschädigte. Das Programm neu zu kompilieren und auf den Bordcomputer zu kopieren, schlug aufgrund der schwachen Verbindung zur Kapsel fehl. Dies lag unter anderem daran, dass das Katapult bereits im Spannvorgang war und die Kapsel somit in der Röhre des Katapults verschwunden war, was die Qualität der Verbindung nicht verbesserte. Das Katapult darf maximal zwei Minuten gespannt bleiben, weil ansonsten das Hydrauliköl zu warm werden würde. Alle Versuche das Experiment flugfähig zu bekommen schlugen in dieser Zeit fehl, weshalb wir den Flug ohne ein laufendes Experiment starten mussten.
Dieser Fehlschuss machte uns klar, dass wir auch die Zeit vor dem Abschuss nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten. Von da an wurde vor den kommenden Flügen die Software mit Ethernet-Kabel auf den Bordcomputer kopiert und der Testdurchlauf mit ungespannten Katapult und nur bei guter Verbindung durchgeführt.
Mit dieser gelernten Lektion konnten wir dann am Mittwoch, Donnerstag und Freitag jeweils zwei weitere Flüge durchführen. Besonders spannend und eindrucksvoll waren für uns auch die erlangten Einblicke in die Technik, welche den Fallturmbetrieb ermöglichen. So wurde uns unter anderem die einige Meter unter der Erde liegende Katapulteinrichtung gezeigt und erklärt. Außerdem konnten wir mit dem Aufzug hoch in die Spitze des Fallturms fahren, von der man eine sehr tolle Aussicht über das flache Bremer Land hat.
Insgesamt konnten wir sieben erfolgreiche Flüge mit jeweils zwei unterschiedlichen Experimentkonfigurationen durchführen. Dieses Ergebnis hat unsere Erwartungen definitiv übertroffen und ist damit ein voller Erfolg! Alle aufgenommenen Videos der Experimente gilt es jetzt auszuwerten, wobei wir für das Tracking der einzelnen CNT Partikel während des Ausrichtvorgangs gerade verschiedene Software-Lösungen testen. Der Bordcomputer der Kapsel hat während der Flüge außerdem einige Flug- und Leistungsparameter aufgezeichnet, wodurch wir nun noch mehr Daten haben, um unsere Systeme für den Flug in Kiruna zu optimieren.
Während der Kampagne haben wir aber nicht nur wissenschaftliche Erkenntnis erlangt, sondern auch viele Kompetenzen im Sinne der Durchführung einer solchen Kampagne gewonnen. Dabei ist für uns die größte Erkenntnis, dass man nie zu viel Tests im Vorraus durchführen kann.
Die Abreise verlief wie geplant und am Freitag Abend fuhr der IC in Richtung Leipzig pünktlich am Hauptbahnhof Bremen ab. Im Zug konnten wir die mehrstündige Reisezeit nutzen, um den erlebnisreichen Aufenthalt in Bremen révue passieren zu lassen.
Bis zur Kampagne in Kiruna ist aber noch einiges zu tun. So muss die Elektronik noch auf ihr thermales Verhalten im Vakuum getestet werden, die Bodenstation muss fehlerfrei laufen und die Beleuchtung der Kammern muss noch einmal überarbeitet werden. Dazu kommen noch kleine Quality-of-Life Improvements auf der Seite der Mechanik und dann steht einem erfolgreichen Start in Kiruna nichts mehr im Weg.
Zum Schluss möchten wir uns nochmal beim ZARM für die Unterstützung sowohl bei REXUS als auch bei dieser Kampagne bedanken. Ohne euch wäre all das nicht möglich gewesen! Die Fallturmkampagne war sehr wertvoll für uns und unser Experiment. Außerdem bedanken wir uns bei allen Mitarbeitern für die Unterstützung bei jeglichen Komplikationen. Wir freuen uns sehr, in der anstehenden Benchtest-Woche wieder am ZARM zu sein und alle Leute wiederzusehen.